Die Osteopathie ist eine manuelle Behandlungsmethode, die auf den gesamten Organismus wirkt – sensibel, sanft und erstaunlich erfolgreich. Zielsicher und fundiert lassen sich Funktionsstörungen des Bewegungsapparates, der Organe und des Nervensystems erfassen und behandeln.

Geschichte:

1874 stellte Andrew Tayler Still (1828-1917) seine Philosophie und Praxis der Osteopathie erstmals vor. Seine Enttäuschung über die damals praktizierte Medizin führte zur Formulierung eines neuen medizinischen Konzeptes, das er „osteopathische Medizin“ nannte. Er schien eine bemerkenswerte Synthese im medizinischen Denken entwickelt zu haben. Seine Philosophie basierte sowohl auf alten medizinischen Erkenntnissen wie auch auf aktuellen klinischen Erfolgen. Dabei wandte er sich wortstark gegen das, was er als schlechte medizinische Praxis ansah, insbesondere den unangemessenen Einsatz der Medikamente, die damals in Gebrauch waren.

Prinzipien:

Stills neue Medizinphilosophie hatte im wesendlichen folgende Grundkonzepte:

  1. Die Einheit des Körpers
  2. Die heilende Kraft der Natur. Still postulierte, dass der Körper selbst alles zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und zur Erholung von Krankheit Notwendige in sich trage. Die Rolle des Therapeuten sei es, diese Fähigkeit zu unterstützen.
  3. Die Beziehung von Struktur und Funktion. Still war der festen Überzeugung, dass die Struktur die Funktion bestimme und die Funktion ihrerseits die Struktur beeinflusse
  4. Der somatische Anteil am Krankheitsgeschehen. Still hielt das muskuloskelettale System für einen integralen Teil des Körpers und glaubte, dass Veränderungen in diesem System (z.B. Einschränkung der Zirkulation) die Gesundheit des ganzen Körpers beeinflussen, so auch dessen Fähigkeit, sich von Verletzungen und Krankheit zu erholen.
  5. Die Anwendung der Manipulationstherapie. Still war der Meinung, die Wiederherstellung der maximalen funktionellen Fähigkeiten des Körpers könne das allgemeine Wohlbefinden erhöhen und die Gesundung von Krankheit und Verletzung unterstützen.
  6. Leben ist Bewegung. (Der Körper ist ständig in Bewegung).

Die Osteopathie ist eine ganzheitliche Therapieform, (viele medizinische, paramedizinische und alternative Heilmethoden beanspruchen für sich „ganzheitlich“ zu sein). Unter ganzheitlicher Medizin verstehe ich, das nicht nur der ganze Körper in seiner Anatomie und Funktionsweise berücksichtigt wird. Nein, vielmehr muss der Mensch in dem Sinne ganzheitlich gesehen werden, wie er in den großen Religionen beschrieben wird, als eine untrennbare Einheit von Körper, Geist und Seele.

Die Ebenen:

  • Die Körperebene (das parietale System):

Das parietale System bezieht sich auf das muskuloskelettale System, das immerhin 60% des menschlichen Körpers ausmacht. Eine strukturelle Diagnose umschließt nicht nur das muskuloskelettale System bezüglich spezieller Erkrankungen und Dysfunktionen, sondern kann auch dazu dienen, die körperlichen Manifestationen von Krankheit und Störungen der inneren Organe zu erfassen. Mobilsations-, Manipulations-, sowie Atemtechniken werden primär zur Verbesserung der Beweglichkeit des muskuloskelettalen Systems sowie zur Schmerzprävention angewand.

Bei korrekter Anwendung können manuelle Techniken klinisch sowohl den Schmerz innerhalb des muskuloskelettalen Systems lindern, als auch das Wohlbefinden des Patienten steigern und bei der Behandlung von zahlreichen Krankheiten hilfreich sein.

  • Die Organebene (das viszerale System):

Das viszerale System bezieht sich auf die inneren Organe, sammt seinen Befestigungen und Aufhängungen, die, wie die parietalen Gelenke, mit zwei Gelenkpartnern über Gleitflächen miteinander in Verbindung stehen und über diese auch behandelt werden können. Dabei steht die arterielle, venöse, lymphatische und vegetative Versorgung im Mittelpunkt der Behandlung d.h. der Osteopath kann über diese zirkulatorischen Strukturen auf die Funktion und Struktur der Organe Einfluss nehmen. Darüber hinaus spielt die fasziale Behandlung des Zwerchfells als Hauptantriebskraft für die Organbeweglichkeit eine tragende Rolle. Desweiteren stellen die Chapman-Reflexpunkte ein wertvolles diagnostisches Hilfsmittel dar.

  • Die Seelenebene:

Die seelische, sprich energetische Zirkulation im Menschen wird beeinflusst durch die Techniken des somato-emotional release, also einer Freisetzung körperlich-seelisch gestauter Energie(n), sogenannter Energiezysten.

  • Die Geistebene (das kraniosakrale System):

Der Geist ist in der Osteopathie durch die kraniosakralen Techniken repräsentiert. William G. Sutherland entwickelte die osteopathische Behandlung des Schädels. Er griff das osteopathische Konzept von Andrew Taylor Still auf und wandte es auf die Schädelnähte(-suturen) an. Er entdeckte, daß sich Schädelsuturen wie gelenkige Verbindungen verhalten und so geformt sind, das eine inhärente Beweglichkeit des Schädels erhalten bleibt die sich bis zum Kreuzbein fortsetzt. Diese rhythmische Bewegung kann als Reaktion auf ein Trauma oder eine Systemerkrankung eingeschränkt sein. Die klinischen Beobachtungen bestätigten seine Hypothese und wurden durch zahlreiche Studien und Therapieerfolge untermauert. Die kraniosakrale Technik bedarf eines intensiven Studiums des knöchernen Schädels, seiner Suturen und der Hirnhäute. Die Anwendung kraniosakraler Techniken am Schädel und am Sakrum (Kreuzbein) erfordert ein hohes Maß an Präzision und Geschick. Durch behutsame indirekte Arbeit am Bindegewebe, den Membranen und den Schädelknochen werden Blockaden dieses Systems wahrgenommen und gleichzeitig behandelt. Da im Bindegewebe alte Verletzungen – sowohl körperliche als auch seelische – gespeichert sind, können wir durch diese feinfühlige therapeutisch Arbeit spontanen Zugang zu wichtigen tiefgehenden Erinnerungen finden. Alte Verletzungen können verarbeitet, aus dem Körper entlassen und Blockierungen damit aufgelöst werden. Das kraniosakrale System wird so wieder in Balance gebracht.

Ziel der osteopathischen Behandlung ist die Erhöhung der individuellen Lebesqualität des Patienten, die Verbesserung des strukturellen (körperlichen) und dynamischen Gleichgewichts in dessen Körpersystemen sowie eine Ökonomisierung seines Energieverbrauchs. (Torsten Liem)